Erstellung von aussagenlogischen Ausdrücken aus Texten

Aussagenlogische Ausdrücke können auch aus Texten gebildet werden. Dabei werden Sätze in ihre Grundaussagen zerlegt, für einzelne Aussagen Variablen festgelegt und diese entsprechend dem Text miteinander verknüpft. Bei Problemen mit einer eindeutiger Lösung kommt man über eine Wahrheitstabelle zum Ergebnis.

Analyse von Sätzen

Um Ausdrücke zu bilden, müssen Sätze in ihre Grundaussagen aufgeteilt werden. Danach werden Variablen festgelegt, jede repräsentiert eine Aussage.

Beispiel:
Wenn es nicht regnet, dann treffe ich mich mit Freunden oder spiele Fußball oder fahre mit dem Rad.
Variablen:

Variable Aussage
a Es regnet.
b Ich treffe mich mit Freunden.
c Ich spiele Fußball.
d Ich fahre mit dem Rad.


Die sprachliche Bedeutung von aussagenlogischen Verknüpfungen wird im Kapitel Junktoren erklärt. Das markante „wenn - dann“ weist sehr deutlich auf eine Implikation hin. Da im Text im Text „NICHT regnet“ steht, muss die Aussage „Es regnet.“ negiert werden. Die anderen Verknüpfungen sind selbsterklärend. Dadurch werden die Aussagen jetzt zu einem Ausdruck verknüpft:
¬a → (b ∨ c ∨ d)
In diesem Fall ist auch die Klammerung sehr wichtig. Würde man diese weglassen, wäre Fußball spielen und Rad fahren eine Alternative zum Freunde treffen, falls es regnet. Das ist zwar aus sprachlicher Sicht keine korrekte Aussage, aus logischer Sicht jedoch sehr wohl.

Beispiele

Kriminalfall

Für eine Tat kommen drei Verdächtige Anton, Bert und Christoph in Frage. Man weiß Folgendes:

  • Ist Christoph schuldig, dann ist Anton ebenfalls schuldig.
  • Ist Bert oder Christoph schuldig, ist Anton unschuldig.
  • Ist Anton oder Christoph unschuldig, ist Bert schuldig.

Nun verwenden wir die Namen der Verdächtigen als Variablen. In unserem Beispiel wird „wahr“ als schuldig angenommen und „falsch“ als unschuldig. also:
Anton = W = Anton ist schuldig
¬Anton = F = Anton ist unschuldig

Nun können wir die einzelnen Aussagen in aussagenlogische Ausdrücke umwandeln:

  • Christoph → Anton
  • (Bert ∨ Christoph) → ¬Anton
  • (¬Anton ∨ ¬Christoph) → Bert


Da um das Ergebnis zu finden alle Bedingungen wahr sein müssen, verknüpfen wir sie mit einer Konjunktion:
(Christoph → Anton) ∧ ((Bert ∨ Christoph) → ¬Anton) ∧ ((¬Anton ∨ ¬Christoph) → Bert)

Von diesem Ausdruck können wir nun eine Wahrheitstabelle anlegen und die Wahrheitswerte der Ausdrücke für die jeweiligen Belegungen berechnen:

Anton Bert Christoph (Christoph → Anton) ((Bert ∨ Christoph) → ¬Anton) ((¬Anton ∨ ¬Christoph) → Bert)
schuldig (W) schuldig (W) schuldig (W) W F W
schuldig (W) schuldig (W) unschuldig (F) W F W
schuldig (W) unschuldig (F) schuldig (W) W F W
schuldig (W) unschuldig (F) unschuldig (F) W W F
unschuldig (F) schuldig (W) schuldig (W) F W W
unschuldig (F) schuldig (W) unschuldig (F) W W W
unschuldig (F) unschuldig (F) schuldig (W) F W F
unschuldig (F) unschuldig (F) unschuldig (F) W W F


Wir können erkenne, dass nur für eine einzige Belegung alle Aussagen zutreffen. Da Bert als einzige Variable in diesem Fall wahr ist, ist Bert auch der Schuldige. Bei Anton und Christoph steht der Wahrheitswert falsch, daher sind sie beide unschuldig.
Erfüllungsmenge: E[A(Anton, Bert, Christoph)] = {F, W, F}

Volkszählung auf der Insel der Ritter und Schurken

Auf einer Insel gibt es nur Ritter und Schurken. Ritter sagen immer die Wahrheit, Schurken lügen immer. Da man aber nicht weiß wie viele Ritter und wie viele Schurken auf der Insel wohnen, wird eine Volkszählung durchgeführt. Als der zum zählen beauftragte Mann an ein Haus klopft, stößt er auf ein Problem. Die Frau an der Tür sagt ihm, dass sie und ihr Mann beide Schurken sind. Aber was bedeutet diese Aussage nun?
Es wird angenommen, dass „wahr“ bedeutet, dass die Person ein Ritter ist und „falsch“ bedeutet, dass die Person ein Schurke ist. Dabei wird für die Frau die Variable „f“ und für den Mann die Variable „m“ verwendet. Aus dem Text lässt sich folgende Aussage bilden:

  • Die Frau sagt, dass ihr Mann und sie selbst Schurken sind.

Wenn eine Person etwas sagt, ist das ein Zeichen für eine Bijunktion, ihre Aussage ist eine normale Konjunktion:

  • f ↔ (¬m ∧ ¬f)

Die Wahrheitstabelle zu diesem Ausdruck sieht folgendermaßen aus:

Frau Mann f ↔ (¬m ∧ ¬f)
Ritter (W) Ritter (W) F
Ritter (W) Schurke (F) F
Schurke (F) Ritter (W) W
Schurke (F) Schurke (F) F


Daraus können wir schließen, dass die Frau ein Schurke ist und ihr Mann ein Ritter.
Erfüllungsmenge: E[A(f, m)] = {F, W}

Sprache vs. Aussagenlogik

Sprache und Aussagenlogik stimmen nicht immer überein. Die Logik erfordert oft Angaben, die in der Sprache nur ungenau oder gar nicht beschrieben werden.

Mehrdeutigkeit

Beim Bilden von Ausdrücken aus Texte ist jedoch zu beachten, dass die Sprache nicht immer eindeutig ist und deshalb verschiedene Lösungen in Frage kommen.

Beispiel:
Ich kaufe mir morgen einen Computer und eine Maus oder einen Laptop. Hier sind zwei verschiedene Lösungen möglich:
1) (Computer ∧ Maus) ∨ Laptop
2) Computer ∧ (Maus ∨ Laptop)
Aus dem Text geht nicht hervor, welche Lösung die richtige ist.

"entweder - oder" oder "oder"?

Weiters wird nur sehr vage bis gar nicht zwischen Disjunktion („oder“) und Antivalenz („entweder - oder“) unterschieden.

Beispiel:
Ich fliege morgen um 15 Uhr in die Türkei oder nach Griechenland.
Sprachlich gesehen wird hier ein „oder“ verwendet. Da es aber unmöglich ist, dass beide Bedingungen gleichzeitig wahr sind, wäre ein „entweder - oder“ ebenfalls korrekt.

unvollständig formulierte Implikation

Implikationen sind sowohl sprachlich als auch aussagenlogisch oft unvollständig, da sie keine Angabe für den Fall gemacht wird, dass die Implikation nicht wahr ist.

Beispiel:
Wenn a, dann b. (a → b)
Der Fall für die falsche Implikation wird nicht berücksichtigt. Besser wäre:
Wenn a, dann b und wenn nicht a, dann c. ((a → b) ∧ (¬a → c))